Seit 2003 finden in Voßfeld in der Fotogalerie V, Barbara Zimmermann, jährlich mindestens zwei Fotoausstellungen mit Rahmenprogramm statt, einerseits Kunstevent, andererseits gelegentlicher Treffpunkt weitverstreut lebender Mecklenburger. Auch Berlin, wiewohl kunstverwöhnt, findet oft und gern den Weg ins 12-Seelendorf.
Die örtliche Presse, Rundfunk und Fernsehen informieren jeweils in Voranzeigen und ausführlicher Würdigung über die Ausstellungen. Außerhalb der Vernissagen können Sie die Ausstellungen nach Vereinbarung besichtigen: +49.172.7443447 und 039602.29503 und 030.28599137.

Wanderer, kommst du nach Voß...!

Kennen Sie Voßfeld? Kein Mensch kennt Voßfeld, das heißt, ein paar wenige schon, denn Voßfeld ist nicht unbewohnt, obwohl das auf den ersten Blick nicht sofort erkennbar ist, besonders werktags und am Wochenende. Die Voßfelder kennen ihren Wohnort aber auch nicht besonders gut, sie können sich nicht einmal entscheiden, ob man es mit ss oder ß schreibt, obwohl eine einheitliche Schreibweise keine besonderen Vorteile erkennen läßt. Voßfeld liegt irgendwo zwischen der norddeutschen Tiefebene und dem Kaukasus, eine nähere Wegbeschreibung erübrigt sich, da jeder, der den Weg nach Voßfeld suchte, ihn schließlich auch gefunden hat, sogar einige, die gar nicht dorthin wollten.
Voßfeld besitzt kein Geschäft, keine Post, kein Lokal und nicht einmal eine Tankstelle, ganz zu schweigen von einer Telefonzelle, einer Verkehrsampel oder einem Zigarettenautomaten, dafür aber eine Fotogalerie.

Die Höhepunkte ländlicher Infrastruktur bilden der Briefkasten und die Bushaltestelle. Erstere wird laut Beschriftung angeblich regelmäßig geleert, letztere ziert ein Abfalleimer ohne Boden; aber das ist nicht weiter schlimm, da niemand vorbeikommt, der zufällig Abfall bei sich trägt, den er dort spontan entsorgen möchte. Tatsächlich kommt einmal am Tag ein prähistorischer Bus die Straße entlang, der immer leer ist und auch gar nicht an der Bushaltestelle hält, da nie jemand ein- oder aussteigt, es sei denn, man hat ihn telefonisch vorbestellt.
Voßfeld hat 12 Einwohner, und die Menschen, die man am häufigsten auf der Straße sieht, sind die Tiere, wobei des Nachbarn Rinderherde, die Fledermausschwärme und die Reptilien nicht mitgerechnet sind. Zwei Pferde, die Hunde Nero und Alice, sowie namenlose Waldbewohner, die bei allzu sorgloser Neugier auch mal rasch im Backofen landen, sind die häufigsten Passanten.
Falls einem in Voßfeld die Lebensmittel oder noch schlimmer Tabakwaren und Alkoholvorräte ausgehen, steht man vor einem besonderen logistischen Problem, wenn man nicht motorisiert ist, (der öffentliche Nahverkehr wurde ja bereits umfassend erörtert). Sollte dieses Problem an einem Dienstag auftreten, hat man echtes Schwein gehabt, denn dienstags kommen die Busse. Da ist der rote Bus mit Grundnahrungsmitteln und Konserven, kurz darauf folgt der blaue mit Frischfleisch und Tabakwaren (Achtung! Nur solange der begrenzte Vorrat reicht), dann unterbricht das grelle Gebimmel des Beaufrost-Autos die Siesta, der eigentlich ein Eiscremeladen ist, aber auch tiefgefrorene Hühnchen und Fischstäbchen im Angebot hat. Als letztes kommt der Bäckerwagen mit frischem Backwerk vom Vortag. Wie gesagt, passieren alle rollenden Läden Voßfeld nur am Dienstag. Braucht man an einem anderen Wochentag Nachschub, ist man gezwungen zu Fuß oder per Fahrrad 12 km nach Jürgenstorf zu pilgern, wo man in einem einsamen Sparsupermarkt den Kunden gerne bedient.
Die Tour lohnt sich, denn dieses Spar ist eine Art HO-Museum, lediglich das Schild und die Preise haben sich seit der Wende geändert, sonst ist alles beim alten geblieben, auch der Kittel und die Frisur der Kassiererin, die, während sie ihre fleischigen Finger in die Tasten der Kasse haut, in ihr Handy brüllt und ihre Gören zur Körperpflege ermahnt, pardon, das Handy gab es früher auch nicht.
Das einzige Konsumgut, für das man Voßfeld nicht verlassen muß, ist Kunst. Genauer gesagt, künstlerisch hochwertige Fotografien, denn seit einigen Jahren versucht sich eine Mäzenin aus Bayern als Pionierin der Zivilisation und hat sich vorgenommen, zwischen Rapsfeldern und laichenden Fröschen ein Minimum an kulturellem Leben zu etablieren, das am besten funktioniert, wenn es gemeinsam mit geistigen Getränken genossen wird.
Barbara Zimmermann, die von ihren Freunden aus der Stadt „Die Gräfin“ genannt wird, zeigt in unregelmäßigen Abständen und in herzzerreißender Idylle wechselnde Fotoaustellungen, doch bislang konnte der Erlös aus dem Verkauf der Bilder die damit einhergehende Plünderung ihrer Weinvorräte nicht annähernd decken. Egal, die feuerrote Barbara ist für Voßfeld, was Peggy Guggenheim für New York ist, und verdurstet ist bei ihr weder ein Kunstfreund noch ein Kunstbanause…
Was es sonst noch über Voßfeld zu sagen gibt? Jede Menge, und deshalb muß dies reichen: Wanderer, kommst du nach Voßfeld, vergiß deine Zigaretten nicht und kaufe Kunst.